Eisenplastiken, Bronzetorsi, Gipsfiguren, Holzskulpturen: Bea Künzli schafft Kunstwerke, die Geschichten evozieren, alte Geschichten, aber auch gegenwärtige. Sie arbeitet mit unterschiedlichen Materialien, und sie haucht Funden aus Natur und Zivilisation neues Leben ein, indem sie sammelt, was ihrem Schönheits- und Formensinn auffällt: schmiedeeiserne Türschlösser, rostige Gitter, zerbrochenes Gartengerät und traditionelles Werkzeug, aber auch Wurzeln und Astwerk von besonderer Form. Sie bringt die Fundstücke in ihr Atelier, dreht und wendet sie, und wenn die Zeit reif ist, kreiert sie daraus plastische Arbeiten. Zudem schafft sie Werke in Gips und Holz und modelliert in Wachs und Ton für spätere Beton- und Bronzegüsse. Und oft verbindet sie die beiden Vorgehensweisen und kombiniert Gefundenes mit neu Gestaltetem zu dreidimensionalen Skulpturen und Objekten.
Bea Künzli, 1960 im Tessin geboren und aufgewachsen, zog mit 20 Jahren nach Zürich und arbeitete lange als medizinische Praxis-Assistentin. Nach der Ausbildung zur Gestaltungstherapeutin IGT 1992 entwickelte sie ihre eigene künstlerische Arbeit, zuerst Malerei und Schwarzweiss-Fotografie. Dann folgten der Einbezug von verschiedenen Materialien und die Konzentration auf dreidimensionale Arbeiten. Die Natur ist eine wichtige Inspirationsquelle für die Künstlerin. Augen- und Tastsinn sowie Handwerk in seiner ursprünglichen Bedeutung sind bestimmende Aspekte: sehen und berühren; dann schleifen, feilen, hobeln, modellieren, polieren, schmieden, giessen. Bea Künzli ist mit verschiedensten Techniken vertraut und arbeitet je nach Bedarf auch in Werkstätten ausserhalb ihres Ateliers. Wichtige thematische Aspekte sind existenzielle menschliche Herausforderungen wie Liebe, Verlust und Vergänglichkeit (sie ist auch in der Betreuung von Demenzkranken engagiert).
Die meisten Werke von Bea Künzli sind kleinformatig bis mittelgross, und dort, wo sie Fragmente bearbeitet, minimalinvasiv, um ein Wort aus der Medizin zu brauchen. Es sind kleine Eingriffe; spürbar wird ein grosser Respekt vor dem, was da ist. Was war das Fundstück? Welche Schönheit liegt in ihm? Was kann es werden? Ein kleiner Sockel, ein Stift für den Halt einer Figur, zwei Einkerbungen in einem Holzzylinder, um ein Eisenelement darauf zu stabilisieren. Künzli schafft sowohl ungegenständliche als auch figürlich anmutende Werke, die bewusst ohne Titel bleiben. Da stehen vier alte Maulwurfsfallen aus Eisendraht aufrecht als Gruppe auf einem kleinen dunklen Eisenquadrat; drei sind grünlich patiniert, eine ist schwarz. Wer ist diese(r) andere? Ein dunkler Körper steht leicht gekrümmt auf zwei dünnen Beinen. Die Ausgangsform war ein morsches Stück Holz. Die Künstlerin hat es gesehen und darin Wesentliches erkannt; sie hat das Stück ergänzt und in Bronze gegossen. So übersetzt sie Verwittertes in berührende Sinnbilder für die „condition humaine“. Oder ein Paar, augenzwinkernd aus zwei Gartenschaufeln geschaffen, steht da, als ob es schon sehr lange zusammen gehörte. Und drei unterschiedliche kleine Feilen, hintereinander auf eine dunkle Platte geschweisst, werden zu magischen Stelen.
Alles spricht von Mensch und Natur, vom Leben. Gewachsenes und Geschaffenes, später verworfen oder verloren, wird aufgenommen und mit sensiblem Gespür für Formen, Zwischenräume und Oberflächen künstlerisch anverwandelt. Bea Künzlis Werke, sowohl diejenigen, die Fundstücke integrieren als auch solche aus einem Guss, regen jedoch nicht nur Augen und Gedanken an. Ihre Arbeiten sind auch für den Tastsinn ansprechend.
Marietta Rohner, Kunsthistorikerin, Zürich 2014